Bericht des Preisgerichts:
Das Projekt girasole schlägt für den Neubau der HPS und die Erweiterung der Schulanlage Kirchmatt einen einzigen, langgestreckten Baukörper mit Giebeldach ganz im Süden des Klosterareals vor. Das Projekt überrascht mit seiner städtebaulichen Haltung, die über die Kloster- und Schulanlage hinaus verweist. In der ortsbaulichen Analyse wird Bezug genommen auf umliegende grossmassstäbliche Bauten aus denen die Dimension des Neubaus abgeleitet wird. Die städtebauliche Setzung führt zu einem achtgeschossigen Bau mit Giebeldach, der die grösstmögliche Distanz zu den Bestandesbauten einnimmt. Von West nach Ost, entlang der südlichen Klostermauer, schiebt sich das vorgeschlagene Gebäude in den Hang. Die Verfasser sind sich der besonderen Konstellation mit dem denkmalgeschützten Klostergebäude bewusst und reagieren nebst der Setzung des Gebäudes auch mit der Traufhöhe und der Dachform, um eine angemessene Massstäblichkeit zu fnden. Die Präsenz des Gebäudes zum Kloster wird vom Preisgericht kontrovers diskutiert.
Zwischen dem Klostergebäude und dem Neubau entsteht ein grosszügiger Aussenraum. Eine mögliche Vorfahrt und ein Rampensystem bis zu den Eingängen werden ausgewiesen. Das Gebäude wird folgerichtig
von diesem neuen Aussenraum her im Erdgeschoss und Zwischengeschoss erschlossen. Hinsichtlich der Arealvernetzung zeigt das Projekt eine geringe Bearbeitungstiefe. Bestehende Konfikte und Überschneidungen der Verkehrsströme werden nicht überzeugend gelöst. Auf dem Areal der Primarschule Kirchmatt wird keine Verdichtung vorgeschlagen.Es fnden lediglich Optimierungen durch neue Raumzuteilungen statt.
Die Unterrichts-, Arbeits- und Aufenthaltsräume sind um einen mittleren, langgezogenen Kern organisiert, der eine efziente Erschliessung, Nasszellen, Lagerräume und im Erdgeschoss die Küche beinhaltet. Im Erdgeschoss und Zwischengeschoss sind nebst Vorbereitungs- und Nebenräumen die Aula und Betreuung als zweigeschossige Räume untergebracht, wobei Letzterer zudem über eine Galerie verfügt. Eine mögliche Abgrenzung zwischen den beiden Betreuungsräumen ist nur schematisch angedeutet und der Bezug der Küche zum Betreuungsraum 1 scheint nicht ideal. Im 1. und 2. Obergeschoss sind die gut belichteten Schulräume über eine ausreichend dimensionierte Gangzone erschlossen,
die sich um die Kernzone zieht und jeweils in die Garderobenbereiche mündet. Ab dem 3.Obergeschoss beginnt das Schrägdach die Gebäudebreite zu verringern und die Erschliessungsgänge werden in die Kernzone verlagert. Dies führt um die zentralen Nasszellen zu etwas beengten Durchgängen. Im zweitobersten Geschoss ist unter anderem die Bibliothek und im obersten Dachgeschoss ein Lesegarten untergebracht. Dieser verwunschene Ort bildet einen schönen Abschluss für das Gebäude, ist gleichzeitig aber sehr weit entfernt von der bestehenden Primarschule. Im Gegensatz dazu sind die Musikzimmer an der Stirnseite des Untergeschosses nahe zur Primarschule Kirchmatt gelegen.
Eingepasst in die Tragstruktur werden die Geschosse an verschiedenen Stellen über trapezförmige Deckendurchbrüche verbunden. Diese Durchbrüche dienen laut den Verfassern der besseren Orientierung, wobei sie immer wieder unterbrochen werden. Das Programm für die beiden Schulen wird in einem Gebäude vereint und die vorgeschlagene Struktur lässt viel Spielraum für verschiedene Nutzungsmöglichkeiten und Flexibilität für die Zukunft. Die Orientierung in diesem vielgeschossigen Gebäude dürfte allerdings trotz der erwähnten Deckendurchbrüche nicht kinderleicht sein, was für die vertikale Bewegung und noch in zunehmendem Masse gilt - insbesondere für die HPS Schülerinnen und Schüler. Das Untergeschoss in Beton wird minimal gehalten und darauf ein kompakter Holzbau, mit für den Holzbau adäquaten Spannweiten, vorgeschlagen. Die vorgeschlagene, offen wirkende Holzkonstruktion vermittelt das Bild einer angenehmen Lernumgebung. Ob ein Wandaufbau in Holzkonstruktion ohne äussere Hinterlüftung und ohne innere Installationsschicht umsetzbar ist, wäre zu überprüfen. Die Konstruktion im Dachbereich erscheint durch die aufgesetzten Elemente wie Lichtwellplatten und die nötige Unterkonstruktion relativ aufwendig.
Freiraum
Stadtklima, Geschichte des Ortes, Respekt vor Vorhandenem und Nutzungsansprüche verbinden sich in diesem Ansatz zu einem eigenständigenund nachhaltigen Projektvorschlag, der mit seinem Angebot an grosszügigen Freiräumen für beide Schulareale überrascht. Das Areal der Primarschule Kirchmatt wird nicht weiter verdichtet, sorgfältige Eingriffe optimieren den Betrieb. Die Aussenräume können wieder in ihrer ursprünglichen Ausdehnung angeboten werden, Spiel und Sport haben neben den Pausenaktivitäten genügend Raum. Innerhalb der Klostermauern wird das neue Zuhause für beide Schulen als vis-à-vis der Klosteranlage mit grossem Abstand angeordnet, ein grosszügiger Gartenraum spannt sich dazwischen auf und wird Teil eines breiten Landschaftsraumes, der sich - auch stadtklimatisch vorbildlich - den
Hang hinunter erstrecken kann. Die Freiräume der gesamten Anlage haben grosses Potential, in ihrer Ausgestaltung hinken sie den gemachten verbalen Aussagen noch hinterher. Die prägenden Bestandsbäume sind wesentlicher Bestandteil der guten Einordnung des Gebäudes in den Kontext, auf ihren Erhalt ist mit grosser Sorgfalt zu achten.
Fazit
Insgesamt handelt es sich um ein, von der Analyse bis zur Ausarbeitung, sehr sorgfältig entwickeltes Projekt. Girasole überzeugt durch eine klare städtebauliche Haltung und eine konsequente Entwurfsstrategie. Das Gebäude reiht sich selbstbewusst zu den Referenzbauten aus der städte-baulichen
Analyse. Durch die folgerichtige Setzung und die Dachform der neuen grossmasstäblichen Schule werden die bestehenden Klosterbauten respektiert. Es entsteht ein grosszügiger Aussenraum, der allerdings noch zu schematisch erscheint. Innerhalb eines klaren inneren Konstruktionsprinzips entsteht eine atmosphärisch schöne Stimmung und die vorgeschlagenen Szenarien zur Nutzungsverteilung erscheinen plausibel. Die Höhe des Gebäudes führt allerdings zu einer klaren Überschreitung der im Wettbewerbsprogramm vorgegebenen maximalen 5 Geschosse und stellt (zu) hohe Anforderungen an die Kinder, insbesondere die HPS Schülerinnen und Schüler. Das Programm für die beiden Schulen wird in einem Gebäude vereint, was von den Nutzern positiv bewertet wird. Girasole bildet einen wertvollen Beitrag mit einer eigenständigen Haltung und einer ausdrucksstarken Volumetrie. Der städtebauliche Entscheid, der sich im achtgeschossigen Gebäude manifestiert, führt leider schlussendlich nicht zu einem guten Gebrauchswert für den
Schulbetrieb.
Weiterführende Links:
Stadt Zug - Neubau Heilpädagogische Schule und Erweiterung Schulanlage Kirchmatt
INFO | |
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Typ: | Einstufiger offener Wettbewerb |
Auslober: | Stadt Zug |
Ort: | Zug |
Jahr: | 2022 |
Zusammenarbeit: | Enzmann Fischer Architekten, Zürich |